Altstadtfreunde Lauf an der Pegnitz

Das Alte erhalten - das Neue integrieren

Kulturstammtisch mit Vortrag über das ehemalige Kälsch-Haus in der Johannisstraße mit seinen Kellern

Lauf, 28. März 2022


Baldur Strobel berichtet beim Märzstammtisch der Altstadtfreunde über die Erforschung weiterer, bisher nicht bekannter Felsenkeller in der Altstadt von Lauf. Es geht dabei um den Untergrund beim

Haus Nr. 21 in der Johannisstraße, das ehemalige Kälsch-Haus

Ein Haus wechselt seinen Besitzer – ein ganz normaler Vorgang. Doch wenn das Haus in der Altstadt von Lauf steht und ein neues Dach braucht, muss man nicht nur nach oben, sondern auch ganz tief nach unten schauen. Denn Lauf hat bekanntlich Felsenkeller und unterirdische Verbindungsgänge, die an der Nordseite des Marktplatzes gut kartographiert sind, doch an anderen Stellen nur vermutet werden.

Beim Kauf des Anwesens Johannisstraße 21 war die Rede davon, dass vom Keller des Hauses unterirdische Gänge in verschiedene Richtungen ausgehen könnten. Auch der Vorplatz, der zum Teil gepflastert, zum Teil als grüne Oase gestaltet ist, könnte betroffen sein – und gerade dort sollte ein schwerer Kran für Dacharbeiten aufgestellt werden.

Wer hat Pläne oder Kenntnisse über den Untergrund und seine Tragfähigkeit? Anfrage bei der Bauordnungsbehörde und beim Denkmalschutzamt im Landratsamt – Fehlanzeige. Anfrage beim Bauamt der Stadt Lauf – keine Erkenntnisse. Anfrage beim Stadtarchiv von Lauf – über Felsengänge an dieser Stelle gibt es noch keine Unterlagen. Anfrage bei den Altstadtfreunden von Lauf, die sich um die Felsenkeller beim Marktplatz verdient gemacht haben – die „Kellerassel“ des Vereins kann sich der Sache annehmen! So kamen der neue Hausbesitzer Oliver Thoma und Baldur Strobel ins Gespräch.

Bereits im Jahre 2015 konnte Baldur Strobel mit dem damaligen Besitzer, Friedrich Kälsch, einige Gänge und Keller in der Umgebung des Hauses begehen. Ein Lageplan wurde damals leider nicht erstellt.

 

Das sollte nun geändert werden, einerseits um einen sicheren Platz für den schweren Baukran zu finden, anderseits aus historischem Interesse, um ein weiteres Puzzlestück von der Unterwelt Laufs zu erhalten. Im Juni 2021 zwängten sich O. Thoma und B. Strobel vom Keller des Hauses durch eine nicht einmal 1 m hohe und nur 65 cm breite Öffnung in das anschließende Gangsystem. Nach dieser ersten Erkundung machten sich B. Strobel und sein Freund R. Deifel aus den Reihen der Altstadtfreunde Lauf zwei Tage lang an die Vermessung der dortigen Unterwelt mit dem Ziel, einen aussagekräftigen Plan zu erstellen. Im September 2021 erfolgte eine weitere Begehung mit F. Zwanziger, ebenfalls Altstadtfreund, der die fotografische Dokumentation übernahm.

Zugang

Der erste Gang ist von Schutt und einzelnen Backsteinen übersät, doch man kann gebückt stehen. Eine Seitenwand und die Decke zeigen den Sandsteinfelsen, aus dem der Gang herausgeschlagen worden war, an der anderen Seite wechseln sich Sandsteinsäulen und Ziegelmauerwerk

Verfolgt man den Gang etwa 20 m in nördliche Richtung, folgt nach einigen leichteren Biegungen eine Mauer, bei der ein relativ bequemer Durchschlupf bereits vorgesehen ist. Der anschließende Gang dient als Ablage für ausrangierte Autoreifen und weist einige nasse, rutschige Stellen auf.

Nach einer scharfen Ecke nach Osten und wenigen weiteren Metern stößt man auf einen Luftschacht und eine Treppe nach oben, die allerdings nach 14 Stufen zugemauert ist.

Wäre sie offen, könnte man dem Frisörbetrieb im Haus Burggasse 6 von unten einen Besuch abstatten.

Burggasse 6

Zurück zum Ausgangspunkt, dem Beginn des langen Ganges. Etwa zwei Meter vom Durchschlupf entfernt erlaubt eine aus der Ziegelmauer herausgebrochene Lücke auch den Bereich hinter der Mauerwand zu betreten.

Im Licht der Taschenlampen erschließen sich den neugierigen Forschern weitere Gänge und kleine Räume. Die Qualität des Felsgesteins wechselte von stabil zu bedenklich bröselich, manche Stellen waren schon mit Ziegelsteinen verstärkt oder auch ganz ausgemauert worden. Man muss sich einmal vorstellen, welche Mühe es gekostet hat, diese Gänge dem anstehenden Sandsteinfelsen abzuringen, denn zur Entstehungszeit waren strombetriebene Maschinen wie Boschhammer, HILTI und dergleichen noch nicht erfunden. Einerseits herrschte das Bedürfnis, möglichst große unterirdische Räume als kühle Lagerplätze zu schaffen, anderseits war bei der unterschiedlichen Qualität des vorhandenen Sandsteins immer die Gefahr eines Einsturzes gegeben.

Bei der Auswertung des Vermessungsplans stellte sich heraus, dass der Wechsel aus Ziegelmauerwerk und Sandsteinsäulen einen vormals größeren Raum in zwei Abschnitte teilte: den eingangs erwähnten langen Gang und einen etwas breiteren, ebenfalls nach Norden ausgedehnten Bereich.

Wendet man sich nach Westen, folgt ein Gang, der nur für klein gewachsene Personen ohne Probleme passierbar ist; größere freuen sich nach einigen Metern über einen Luftschacht, bei dem man sich wieder aufrichten, die Wirbelsäule entlasten kann. Von hier aus hat man einen guten Blick auf ein Gitter, das einen ausgedehnten Hauskeller des Anwesens Burggasse 4 a vor dem Besuch durch unerwünschte Kellerforscher schützt.

Schräg gegenüber liegt wieder eine enge Öffnung, die mit einer Holztür verschlossen war. Das Holz ist längst verrottet und verschwunden, die Angeln und Beschläge sind völlig verrostet, der Zugang in den nächsten Bereich ist jetzt möglich.

Dort scheint öfters das Grundwasser durch den Fußboden hochgestiegen zu sein, was die verteilten Trittsteine und der schlammige Untergrund belegen.

Durchquert man diesen verwinkelten, wenig einladenden Raum, steht man vor einer breiten Treppe, die in einen normalen Hauskeller führen. Die dort gelagerten Gegenstände scheinen schon  seit dem ersten Besuch mit dem verstorbenen Herrn Kälsch nicht mehr bewegt worden zu sein; nur die Treppe ins Haus wird gelegentlich benützt, um die Wasseruhr an einer Wand abzulesen. Zur Freude des Vermessungsteams ist in einer Ecke des Kellers ein Luftschacht, der auch oben zu finden ist. So kann man leicht überprüfen, ob alle Richtungen des Plans korrekt ermittelt wurden.

Dieser Keller gehört zum Haus Johannisstr. 19, aus dem im Sommer viele Sorten Speiseeis verkauft werden.

 

Als Zusammenfassung der unterirdischen Recherchen liegt nun ein genauer Plan vor. Er ist wohl kaum von öffentlichem Interesse, denn Führungen wie bei den ausgedehnten Kellern beim Marktplatz sind wegen der beengten Zugangsmöglichkeiten kaum möglich. Dennoch ist der kulturgeschichtliche Einblick in die Tätigkeiten unserer Vorfahren wichtig und der ehrenamtlichen Mühen wert.

Dokumentation von Haus- und Familiengeschichte der Flaschnerei Kälsch, vormals Grieserer

Der Umbau des Hauses Johannisstr. 21 war Auslöser dieser „Kellergeschichten“. Dabei ist das Haus selbst geschichtsträchtig und gut dokumentiert wie wenige andere. Die Zusammenstellung hat angeblich der Vorbesitzer durch eine beträchtliche Spende ans Archiv erreicht. Hier sind die Ergebnisse.

Lageplan alt

   1.      Hausgeschichte

Zur Flaschnerei gehörten zwei Gebäude: zum einen das Wohnhaus Johannisstraße 23, alte Hausnummer 65 und zum anderen Johannisstraße 21, alte Hausnummer 64; in diesem Gebäude befand sich im Erdgeschoss die Flaschnerwerkstatt, in den oberen sind Wohnungen eingerichtet.

Im 19. Jahrhundert war die Situation insofern anders als heute, als die Gebäude Johannisstraße 21 und Johannisstraße 23 als Nebengebäude ohne eigene Nummer im Katasterplan von 1821 eingetragen sind. Die spätere Nummer 64 ist zu diesem Zeitpunkt ein ganz schmales, an Nummer 63 angebautes Wohnhaus. Dieses Gebäude wurde 1914 abgerissen und die Nummern Johannisstraße 21 und 23 umgebaut, wie aus dem Katasterplan von 1914 hervorgeht.

   Haus Johannisstraße 23, alte Hausnummer 65

Bei diesem Gebäude handelt es sich um ein traditionelles Handwerkerhaus, deren Besitzer die unterschiedlichsten Handwerke ausübten. Es ist bereits in der Häuserbestandsaufnahme von 1677 (StaLa) erwähnt als „Behausung bei dem Wassertor zwischen Rohlederer und Vögelein“, Besitzer ist Martin Lang, Schuster von Beruf.

100 Jahre später, 1787, verkauft Jakob Wollner, Bürger und Zimmergeselle, das „Wohnhaus mit Hintergebäude in der Kirchengasse ohnfern dem Wassertor“ an Johann Hammer, Bürger und Tagelöhner (?) und dessen Eheweib Kunigunde für 900 fl (StaLa, Hausbuch). (fl = Gulden)

Johann Hammers Sohn, Georg Hammer, von Beruf Schneidermeister, übernimmt 1814 das Haus. In seinem Testament vom 25.11.1828 hinterlässt Georg Hammer seinen Besitz der ledigen Magdalena Munker.

Offenbar wurde im folgenden Jahr eine Teilung des Hauses vorgenommen, wobei mit Hausnummer 65b eine Art Einliegerwohnung geschaffen wurde: 1829 kauft der ledige Christof Kroder aus Lauf Haus Nummer 65 halb. Möglicherweise hat die Teilung schon länger bestanden, ist aber in den Quellen nicht belegt.

1833 verkaufen der Tagelöhner Christof Krotter und dessen Ehefrau Christina an den Melber Albrecht Weikmann ein „halbes Wohnhaus, bestehend aus Stube, Küche und Kammer zu ebener Erde, ½ Anteil mit 65a, Stadel und Hof“. Abgesehen von dieser Wohnung besitzt Magdalena Munker alles übrige.

Die Wohnung Nummer 65b erwirbt am 23.10.1852 der Schweinehändler Wolfgang Helmreich aus Lauf. Den Weikmann’schen Teil erwirbt 1836 die ledige Näherin Susanna Munker, genannt Hammer (StaLa, Hausbuch).

1858 kommen die beiden Wohnhaushälften wieder in eine Hand, als der Flaschnermeister Albrecht Grieserer aus Lauf mit seiner Ehefrau Regina, geb. Prottengeier, beide Wohnungen erwirbt.

   Haus Johannisstraße 21, alte Hausnummer 64

Die früheste Nachricht von diesem Gebäude ist der Eintrag im Grundkataster von ca. 1833/34 mit Johann Bruckner, Metzgermeister, Wohnhaus mit realer Metzgergerechtigkeit mit Stadel und Hofraum.

1850 am 1.10. erkauft der Glasermeister Georg Albrecht Glaser den Besitz von Johann Bruckner um 1125 fl. Auf Ableben des Albrecht Glaser übernimmt dessen Sohn Andreas Glaser, Kaufmann von Lauf, den Besitz, der 1888 in die Hände von Maria und Margareta Glaser übergeht.

Am 21.9.1908 erkauft Heinrich Grieserer, lediger und volljähriger Flaschner in Lauf, bisher ohne eigenen Grundbesitz, von Margareta und Maria Glaser, beide volljährig und Privatiere, das Wohnhaus um 12.000 Mark.

   2.    Familiengeschichte

Die Flaschnerei Grieserer wurde 3 Generationen lang von der Familie Grieserer betrieben und im 20. Jahrhundert von Friedrich Kälsch weitergeführt.

Der vermutliche Begründer war Albrecht Grieserer, der 1858 mit seiner Ehefrau Regina das Haus Nummer 65 erwarb. Aus dem Jahr 1862 ist eine Auflistung aller Ausgaben für den Bau eines Ladens und Streuschuppens erhalten. Möglicherweise wurde damals der Laden eingerichtet, in dem später von Heinrich Grieserer Haushaltswaren und heute Sportartikel verkauft werden.

Vom 23.3.1880 datiert der Übergabevertrag, in dem Albrecht und Regina Grieserer ihrem Sohn, dem Flaschnergesellen Konrad Grieserer, Haus und die Flaschnerwerkstatt übergeben. Dazu gehörten: Die beiden Hälften des Wohnhauses Nummer 65 (Plannummer 69) und Nebengebäude und Hofraum (Plannummer 69 ½). Als Dreingaben erhält der Übernehmer alle wand-, band-, niet- und nagelfesten Bestandteile der Gebäude und alle zum Betriebe des Flaschnergeschäftes dienenden dermalen im Besitze der Übergeber befindlichen Einrichtungen und Werkzeuge.

Die Verkäufer behalten sich das Recht vor, Zeit Lebens unentgeltlich die obere Stube und Kammer nach vorn der beiden jetzt zu einem ganzen Hause vereinigten Halbhäuser zu bewohnen. Küche, Keller, Dachboden und Hofraum werden gemeinsam benützt.

In den folgenden Jahren (1881, 1884 und 1886) erwerben Konrad Grieserer und seine Ehefrau Katharina, geb. Weickmann einen Stadel und zwei Äcker und Hopfengärten.

1891 am 7.1. stirbt Albrecht Grieserer und hinterlässt seinen drei Enkelkindern je 1000.-  Mark und seinen beiden Söhnen Heinrich und Konrad alles Übrige. Wegen Streitigkeiten um das Erbe wird die notarielle Feststellung des Nachlasses vorgenommen, Gesamtwert einschließlich der Forderungen 13.049,80 Mark.

1908 erkauft Heinrich Grieserer, Sohn von Konrad und Katharina Grieserer, Flaschner, das Wohnhaus Nummer 64 von Margarethe und Maria Glaser (siehe oben).

Am 12.2.1910 erhält Heinrich Grieserer seinen Meisterbrief. Drei Jahre später übergeben die Eltern an ihren Sohn Heinrich, ledig, das Wohnhaus Nummer 65, Nebengebäude und Hofraum, einen Acker und Hopfengarten sowie ein Waldstück. Als Dreingabe erhält Heinrich Grieserer die sämtlichen, bei obigem Anwesen befindlichen Flaschnereigeschäfts-, Ein- und Vorrichtungen, Maschinen und Geräte aller Art, ferner das vorhandene Flaschnerhandwerkszeug sowie die vorhandenen Flaschnereigeschäftswarenvorräte.

Da Heinrich Grieserer und seine Frau keine Erben hatten, übernahm Friedrich Kälsch 1957 die Flaschnerei. Er war Lehrjunge bei Heinrich Grieserer gewesen. Friedrich Kälsch führte die Werkstatt mit Lehrlingen und Gesellen (bis zu acht Leuten) fort. Am 1.1.1989 musste er den Betrieb aus gesundheitlichen Gründen aufgeben und, da keine Interessenten gefunden werden konnten, die Werkstatt schließen. Teile der Werkstatt, Maschinen und Werkzeug hat er dem Gewerbe-und Frühindustriemuseum übergeben.

Im Zuge der Renovierungsarbeiten war ein ungehinderter Blick auf das gemauerte Gewölbe der Werkstatt möglich.