MONTAG 10. FEBRUAR 2025
Als die Spitalgasse zur Wasserstraße wurde
HOCHWASSER Die Pegnitz als reißender Fluss, die Altstadt von Lauf unter Wasser: Was 1909 geschah, hat die Stadt nachhaltig verändert. Bei einem Stadtrundgang entdeckten die „Altstadtfreunde Lauf“ das Erbe des Jahrhundert-Hochwassers.
Große Verwüstung richtete das Rekordhochwasser von 1909 an, damals wurde die Pegnitz zu einem reißenden Fluss – hier gut zu sehen. Die Aufnahme entstand in etwa auf dem Gelände der heutigen Stadtwerke, der Blick geht in die Innenstadt. Foto: Stadtarchiv Lauf
VON GERDA JAHN
LAUF – Die Vorstellung, dass man in Lauf anstatt zu Fuß nur mit Kähnen die Spitalgasse entlang fahren konnte, erscheint vielen sicher als Hirngespinst – tatsächlich passiert ist dies aber beim „Jahrhundert-Hochwasser“ vor 116 Jahren. Was in den Tagen zwischen dem 4. und 9. Februar 1909 geschah, davon erzählten die „Altstadtfreunde Lauf“ erstmals bei einem detaillierten Stadtrundgang.
Monika Pöhlmann, Vorsitzende der Altstadtfreunde, konnte am Samstagnachmittag am Treffpunkt Wasserbrücke rund fünfzig gespannte Besucher begrüßen, die sich gemeinsam mit den Altstadtfreunden Christiane Veyssière und Wolfgang Pöhlmann auf die Spuren der Hochwasserkatastrophe von 1909 begaben.
Jedes Jahrhundert Hochwasser
Die Pegnitz, die sich heute als gemütlich dahinfließender Fluss von der Stadt Pegnitz bis nach Fürth schlängelt, musste bereits in früherer Zeit viele Hochwasser aufnehmen. Dokumentiert sind Überflutungen seit dem Jahr 1300 und jedes Jahrhundert verzeichnete mittlere, große oder katastrophale Hochwasser.
Auch 1849 musste das Pegnitztal darunter leiden. Überragt wurde dies allerdings durch die verheerende Flutkatastrophe am 4./5. Februar 1909, wo die Pegnitz eine gewaltige Wassermenge zu bewältigen hatte. Anstelle von den durchschnittlich gemessenen 10-12 cbm pro Sekunde flossen enorme 430 cbm pro Sekunde durch das Stadtgebiet.
Auslöser der Katastrophe war das Winterwetter, wo es wochenlang geschneit hatte. Insgesamt lag 40 cm hoher Schnee und der Erdboden war tief hinunter gefroren. In Verbindung mit einem raschen Temperaturanstieg und ununterbrochenem Regen konnte die Erde das Wasser nicht aufnehmen und die Pegnitz verwandelte sich, rapide vergrößert durch viele Zuflüsse wie die Schnaittach, in einen alles mitreißenden Strom, der gnadenlos Obstgärten, Äcker und Wiesen abschwemmte. Jede Menge Holz und Tierkadaver trieben durchs Pegnitztal
Venedig? Nein, Lauf im Jahr 1909 – hier konkret die überschwemmte Spitalstraße. Foto: Stadtarchiv Lauf
Durch die Gewalt der Wassermassen wurden die meisten Brücken zwischen Hersbruck und Nürnberg weggerissen. Bei Pommelsbrunn brachte das Hochwasser sogar die Eisenbahnbrücke zum Einsturz und in Hersbruck die Flutbrücke.
Gravierende Flutschäden
Zwischen Ottensoos und Lauf vernichtete es die Heubrücke, gleichfalls die große Holzbrücke in den Hämmern. Allein die Wasserbrücke war nicht überschwemmt, dennoch nicht passierbar, weil man von beiden Seiten nicht an sie herankam und die mehrere hundert Meter lange, den ganzen Pegnitzgrund überspannende Bankels-Brücke durfte nicht genutzt werden.
Anhand von Stadtarchiv-Bildern und historischen Ansichtskarten veranschaulichte Christiane Veyssière den Rundgang-Teilnehmern die gravierenden Flutschäden im Stadtgebiet. Hatte das Wasser vor Lauf noch ein breites Flusstal zur Verfügung, so brachen die tobenden Fluten in der Laufer Altstadt alle Dämme.
Sämtliche an der Pegnitz liegenden Mühlen, Hammerwerke und Fabriken standen unter Wasser, ferner die Johannisstraße bis zum Judenturm und der Sichartstraße. Die dortigen Anwohner wurden nicht vorgewarnt und erlitten große Verluste, weil sie nicht rechtzeitig ihre Keller-Vorräte und die Möbel im Parterre in Sicherheit bringen konnten.
Mit dem Kahn unterwegs
Die Pegnitz-Zeitung verglich am 5. Februar 1909 die Spitalgasse mit der Lagunenstadt Venedig, weil der Verkehr zwischen dem Glockengießerspital und den einzelnen Häusern nur noch mit Kähnen auf dem Wasser möglich war.
Weitere „Spuren“ offenbarten die Altstadtfreunde beim alten Forsthaus, dessen Ostwand aus einem Rest Stadtmauer besteht, die den Burgsteg schützen sollte, jedoch nie vollendet wurde. Die teilweise noch sichtbaren markanten Mauerbögen hatte der letzte Hausbesitzer nach dem Hochwasser zumauern lassen.
Letzter Punkt des Rundgangs war die Wenzelburg, die 1909 ringsum von einem „Pegnitzsee“ umgeben war. Leider fehlen jegliche Markierungen, die dokumentieren könnten, welche Höhe das Wasser bei dieser Katastrophe vor 116 Jahren erreichte – immerhin waren es drei Meter.
Zurück zur Übersicht „Presseartikel“